Sex im Alter - einem Tabu auf der Spur
Sexualität bedeutet in jedem Lebensabschnitt etwas anderes: Einmal steht die Lust am Ausprobieren, einmal der Kinderwunsch, einmal die Vertrautheit einer langjährigen Partnerschaft im Vordergrund - und manchmal wird Sexualität im Lauf eines Lebens auch nahezu bedeutungslos. Fest steht allerdings, dass die Häufigkeit sexueller Funktionseinschränkungen beim Mann mit zunehmendem Alter ansteigt. Hormonell bedingt nehmen sowohl Orgasmus- als auch Erektionsfähigkeit ab. Neuere Studien belegen, dass fast die Hälfte aller 50-jährigen Männer über Erektionsstörungen klagen. Bei den 60-Jährigen sind es 57 Prozent und bei den 70-Jährigen sogar 67 Prozent. Gleichzeitig ist trotz Verringerung der sexuellen Aktivität im Alter der Stellenwert sexueller Befriedigung von älteren Männern vergleichbar mit dem jüngerer Männer.
Im Blickpunkt: Sexualität - ein lebenslanges Gut
Im Jahr 2002 definierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Sexualität als zentralen Bestandteil des gesamten Lebens. Das beinhaltet Geschlechtsverkehr und geschlechtliche Identität, sowie Erotik, Genuss, Intimität und Reproduktion. Sexualität wird als zentraler Bestandteil des menschlichen Lebens anerkannt und - ganz wichtig - als altersunabhängiger Faktor dargestellt.
Risikofaktor - die vielen bunten Pillen
Neben einer natürlichen Verminderung der Geschlechtshormone steigt mit zunehmendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit von Begleiterkrankungen - zum Beispiel Diabetes oder Bluthochdruck. Ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung über 60 Jahre nimmt regelmäßig Medikamente. Eine Vielzahl von diesen Medikamenten weist unerwünschte Nebeneffekte auf, was die Erektionsfähigkeit angeht. Die Entscheidung, eine Einschränkung des Sexuallebens im Alter als normal hinzunehmen oder lieber einen Urologen mit der Bitte um Hilfe aufzusuchen, muss letztendlich jeder Mann, möglichst zusammen mit der Partnerin, individuell treffen. Es stehen heute mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die Defizite zu therapieren. Eine vernünftige Lebensführung - Normalgewicht, ausgewogene Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität - unterstützt neben der körperlichen, auch die geistige Leistungsfähigkeit im Alter.
Hormonersatztherapie - eine Versuchung auch für Männer
Beim alternden Mann fällt mit zunehmendem Alter der Testosteronspiegel im Blut. Nicht jeder Mann verspürt jedoch die mit einem erniedrigten Testosteronspiegel einhergehenden Symptome, wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit, außerdem auch Schlafstörungen, Depression, Verringerung der Muskelmasse und Libidoverlust. Diese Symptome werden unter dem Begriff PADAM (Partielles Androgen-Defizit des Alternden Mannes) zusammengefasst. Der Zusammenhang zwischen Testosteronmangel und Erektionsstörungen im Alter ist sehr wahrscheinlich, letztendlich aber noch nicht eindeutig geklärt. Wie auch die Hormonersatztherapie für Frauen in den Wechseljahren wird die Hormonersatztherapie für Männer sehr kontrovers diskutiert. Sie wird hauptsächlich bei einem klinisch auffällig niedrigen Testosteron-Spiegel eingesetzt.
Testosteroneinnahme und die Nebenwirkungen
Früher erfolgte die Testosteron-Substitution unter anderem auf oralem Wege durch eine tägliche Tabletteneinnahme. Teilweise erhebliche hepatische (die Leber betreffend) Nebenwirkungen waren die Folge. Heute können Testosteron-Defizite durch Pflaster und Gele bequemer und stoffwechselgerechter ausgeglichen werden. Ungeklärt ist nach wie vor der Zusammenhang zwischen Testosteron-Substitution und der Möglichkeit, ein bisher insignifikantes (also ruhendes) Prostatakarzinom "aufzuwecken." Da diese Gefahr laut nicht eindeutig widerlegt werden konnte, sollte eine Testosteron-Substitution am besten nur dann erfolgen, wenn vorher durch den Urologen ein Prostatakarzinom weitestgehend ausgeschlossen werden konnte (Bestimmung des PSA-Wertes, digitale rektale Untersuchung und eventuell ein Ultraschall).
Erektionsstörungen
Dass mit dem Alter Stärke und Dauer der Erektion abnimmt, ist normal. Als Erektionsstörung ist anzusehen, wenn die Erektion zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs gar nicht oder nur zeitweise ausreicht. Bis vor zehn Jahren wurden für den Großteil der Erektionsstörungen psychologische Gründe verantwortlich gemacht. Dies hat sich dramatisch gewandelt. Mit Einführung einer multidisziplinären Diagnostik lassen sich in 85 Prozent der Fälle mehrere Ursachen und in über 60 bis 70 Prozent der Fälle primär organische Ursachen nachweisen.
Ursachen der Erektionsstörung
Bei den organischen Ursachen muss zwischen dem großen Anteil der gefäßbedingten und neurologischen Ursachen (95 Prozent) und dem kleinen Anteil der hormonellen Ursachen (5 Prozent) unterschieden werden. Sicher ist, dass (auch wenn in erster Linie organische Faktoren für eine Potenzstörung verantwortlich sind) nachfolgend fast immer psychische Faktoren hinzukommen. Als weitere Ursache für eine Erektionsstörung kommen natürlich auch Medikamente infrage: Bluthochdruckmittel, Psychopharmaka, Lipidsenker und Parkinsonmedikamente. Auch Operationen im Beckenbereich dürfen nicht vergessen werden und sollten bei jeder Abklärung als Ursache berücksichtigt werden. Mit einer Erektionsstörung sollte zuerst einmal der Urologe aufgesucht werden, um gegebenenfalls eine körperliche Erkrankung auszuschließen: ein Prostata- oder Rektumkarzinom, sowie ein unerkannter Diabetes oder eine Schilddrüsenerkrankung."
Eine Erektionsstörung kann einen Herzinfarkt ankündigen
Die Erektionsstörung im höheren Alter ist ein häufiges Organsymptom, welches eng mit dem ungesunden Lebenswandel in den westlichen Industrienationen verknüpft ist. Bekannte allgemeine Risikofaktoren für das Entstehen einer Erektionsstörung sind Fettleibigkeit, erhöhte Blutfettwerte, Rauchen, Bluthochdruck, chronische Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus. Da eine Erektion einen sehr komplexen Vorgang darstellt, der das Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren erfordert, kann sich eine Verschlechterung der Gefäßversorgung bereits frühzeitig sehr dramatisch auf die Erektionsfähigkeit auswirken. Bei einer neu auftretenden Erektionsstörung sollte immer auch ein Besuch bei einem Herzspezialisten (Kardiologen) in Erwägung gezogen werden. Denn Erektionsstörungen können auch Vorboten eines Herzinfarktes sein. In diesem Zusammenhang wird auch von der Erektionsstörung als Frühwarnsystem gesprochen.
Die Blockade im Kopf
Das Sexualleben in allen Phasen des Lebens sollte auf keinen Fall auf den reinen Geschlechtsverkehr reduziert werden. Auch körperliche Nähe und Selbstbefriedigung sind normaler Bestandteil eines erfüllten Sexuallebens. Eine moralische Bewertung durch den behandelnden Arzt hat auf jeden Fall zu unterbleiben. Kommt es mit zunehmendem Alter zu Erektionsstörungen, ist es zunächst von entscheidender Bedeutung, ob sich der Patient in einer langjährigen Partnerschaft befindet und ob in dieser überhaupt noch ein regelmäßiges Sexualerleben im Vordergrund steht. Der erste Schritt sollte immer sein, sich mit dem Partner offen über dieses Problem auszusprechen und seine Meinung dazu zu erfahren. Erst dann sollte die Vorstellung beim niedergelassenen Urologen oder in einer speziellen Sprechstunde erfolgen, wie sie bereits in vielen urologischen Kliniken angeboten wird.
Prostataerkrankungen
Zwei Drittel aller Männer jenseits der 60 haben eine erkennbare Vergrößerung der Prostata. Diese so genannte Hypertrophie ist bei Männern im entsprechenden Alter und mit einem funktionierenden Hormonhaushalt schicksalsbedingt. Häufig aber wird übersehen, dass eine Vergrößerung der Prostata noch lange keine behandlungswürdige Erkrankung bedeutet. Prof. Hartung: "So lange keine Beschwerden auftauchen und kein bösartiges Gewebe entdeckt wird, kann die Prostata so groß sein, wie sie will. Man muss überhaupt nichts dagegen unternehmen. Meiner Erfahrung nach geschieht auf diesem Gebiet viel medizinischer Unfug: Es wird unnötig häufig therapiert!"
Prostatavergrößerung behandeln
Therapie ist nur dann notwendig, wenn ein Patient belastende Symptome (verzögerter Start der Harnentleerung, schwacher Harnstrahl und unangenehmes Nachtröpfeln) nicht akzeptieren will oder kann - oder wenn sich Befunde entwickeln, die sich auf Dauer ungünstig auswirken: wenn Bakterien im Urin nachweisbar sind, wenn sich wegen des Harnstaus Blasensteine bilden, oder wenn die Niere in Gefahr ist.
Risiko Prostatakrebs
Prostatakrebs ist die häufigste Todesursache unter den urologischen Tumoren und die zweithäufigste Todesursache bei Männern überhaupt. Außerdem ist Prostatakrebs eindeutig eine Erkrankung des älteren Mannes, obwohl es natürlich auch Patienten gibt, die 50 Jahre oder jünger sind. Bei einer frühzeitigen Diagnose sieht die Überlebenschance sehr gut aus. Deshalb: Ab dem 45-sten Lebensjahr einmal jährlich zur Früherkennungsuntersuchung gehen, besonders wenn es in der Familie Fälle von Prostatakrebs gibt.
Krebsrisiko vermeiden
Ein stetiger Anstieg des PSA-Werts, des Prostata-spezifischen Antigens im Blut, ist immer verdächtig. Mithilfe dieser Blutuntersuchung kann ein Krebs sehr frühzeitig diagnostiziert werden - noch bevor er Beschwerden macht oder tastbar ist. Außerdem weiß man heute, dass die Qualität der Ernährung eine große Rolle spielt: Fettreiches Essen begünstigt die Entwicklung von bösartigen Prostatatumoren, deshalb gibt es in den USA so besonders viele Erkrankungen.
Quellen zu diesem Artikel
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